Vielfältiges Kraftpaket: die Brennnessel

Zugegeben: An der Brennnessel können sich die Geister schon mal scheiden. Wir kennen kaum jemanden, der es nicht vermeidet, mit unbedeckter Haut mit ihr in Kontakt zu treten. So richtig lustig ist das Brennen und Jucken einfach nicht. Und doch hat unsere heimische Brennnessel enorm viele Vorteile. Unter anderem gilt sie als DAS heimische Superfood, ist Heilpflanze des Jahres 2022 und hält jetzt im Spätsommer noch eine ganz besondere Leckerei für Euch parat. Auch kulinarisch kann sie mehr, als man auf den ersten Biss vermuten mag. Grund genug, Euch die wehrhafte Pflanze mit all ihren Vorteilen mal genauer vorzustellen.

Vorteil 1: Die Brennnessel ist unverwechselbar

Es ist eigentlich ganz einfach, eine Pflanze aus der Familie der Brennnesseln (Urticaceae) zu erkennen. Ihr müsst nämlich nur zart und vorsichtig mit dem Handrücken über die Blätter der frischen Pflanze streifen. Wenn es dann nicht brennt, ist es keine Brennnessel. Den kantigen Blattstängel und dunkelgrüne, paarweise versetzte, gesägte und eiförmig spitz zulaufende Blätter haben auch andere Pflanzen, wie die Taubnessel. Aber sie haben keine Brennhaare! Am häufigsten wächst bei uns die Große Brennnessel, Urtica dioica, – und um die soll es jetzt gehen.

Vorteil 2: Brennnessel liefert Stoff – für Geschichten

Die Brennnessel ist seit hunderten von Jahren in unseren Breiten bekannt. Davon zeugen auch einige Märchen, in denen um das wildwachsende Kraut geht. Am bekanntesten ist wohl das Märchen von den sieben Schwänen, die mit Brennnessel-Hemden erlöst werden. Da bekommt der früher viel genutzte „Nesselstoff“ doch eine echte Bedeutung. In anderen Geschichten ziehen kluge Menschen die starke Pflanze hinter dem Haus einem Klumpen Gold in der Tasche vor – auf dass sie immer Nahrung und Heilmittel haben. Entsprechend galt die Brennnessel während Kriegszeiten und in Hungerjahren beim einfachen Volk als schnell verfügbare und stärkende Notnahrung.

Und auch die Rosshändler früherer Zeit wussten die Kraft des Krautes zu schätzen: Sie fütterten müde Klepper über vier Wochen lang reichlich mit Brennnesseln, um sie dann mit glänzenden Augen und Fell auf dem Markt verkaufen zu können. Womit wir schon beim nächsten Vorteil wären, denn in Brennnesseln ist ziemlich viel drin.

Vorteil 3: Ein Kraftpaket mit Heilwirkung

Der Vitamin- und Mineralstoffgehalt der Brennnessel übertrifft viele konventionelle Salate und Blattgemüse. Eine gute Handvoll Brennnessel wiegt diesbezüglich einen ganzen Kopfsalat auf. Sie enthält Magnesium, Kalium, Eisen und Kieselsäure sowie Vitamin A, C, E. Außerdem ist sie reich an Proteinen. Ihre Hauptinhaltsstoffe sind Pheonolcarbonsäuren, Flavonoide, Fett und Kohlenhydrate. Dazu kommen Gerbstoffe, Calcium, Histamin und Ameisensäure (in den Brennhaaren). Die Samen enthalten zusätzlich 30 Prozent fettes Öl, Carotinoide und viel Vitamin E.

Der Blick auf die Inhaltsstoffe verrät schon, warum die Brennnessel gerne als „Superfood“ bezeichnet wird. Als Tee, Saft oder kulinarisch regelmäßig oder als Kur genossen wirkt sie blutreinigend und leicht harntreibend, appetit- und verdauungsanregend. Man nutzt sie bei Harn- und Nierenleiden, zur Blutbildung und gegen Entzündungen. Die Haare werden glänzender, das Hautbild besser, Finger- und Fußnägel stabiler. Äußerlich kommt sie bei Kopfschuppen und fettigem Haar zum Einsatz (z.B. als Haarspülung oder Shampoo-Zusatz). Die Brennnesselwurzel hilft gegen Prostatabeschwerden. Außerdem enthält sie Enzyme und Phytohormone, die eine krebsvorbeugende Wirkung haben können.

All diese Eigenschaften haben die Brennnessel zur Heilpflanze 2022 gemacht haben. Besonders spannend: Laut Studien kann sie sowohl die Rezeption von Schmerzmitteln gegen Rheuma und Arthrose verbessern, wie auch großen Beitrag zu anti-entzündlicher Ernährung leisten.

Vorteil 4: Brennnessel schmeckt richtig gut

Ja, die Brennnesselernte ist und bleibt eine haarige Angelegenheit. Auch Profis nutzen gerne Handschuhe und lange Ärmel. Denn die inhaltsreiche Pflanze schützt sich mit ihren Brennhaaren recht effektiv gegen Fraßfeinde. Die winzigen, haarfeinen und spitzen Kanülchen sind unter anderem mit Ameisensäure und Histamin gefüllt – und verursachen bei uns einen ordentlichen Juckreiz und rötliche Quaddeln auf der Haut. Will man diesen Effekt vermeiden, muss man die Brennhaare zerstören. Wer bei der einzelnen Brennnessel beherzt zupackt, schafft es daher, dass sie nicht brennt. Auch walken mit dem Nudelholz hilft, pürieren, blanchieren und braten ebenso.

Aber dann. Dann ist die Brennnessel bereit für vielfältige kulinarische Erlebnisse. Wir lieben zum Beispiel Brennnessel-Cracker, -Chips oder -Buns. Ihr könnt sie als Wildgemüse zubereiten, in eine Quiche einbacken, Knödel damit bereichern oder Suppe kochen. Und und und – Eurer Phantasie sind wenig Grenzen gesetzt. Die Früchte schmecken herrlich nussig über Salat oder Suppe, sind eine feine Ergänzung für Energiebällchen und getrocknet im Vorrat ein gehaltvoller Proteinspender in den Wintermonaten. Inhaltlich gesehen sind sie übrigens deutlich stärker als Chiasamen – und auch noch regional.

Beachten müsst Ihr eigentlich nur, dass die Brennnessel immer starke geschmackliche Mitspieler braucht, wie Zwiebel oder Knoblauch, intensive Gewürze, feine Früchte oder aromatische Öle. Ohne diese kann sie leicht metallisch und stumpf schmecken. Außerdem oxidiert Brennnessel schnell. Gebt sie also möglichst spät in Eure Gerichte und püriert nur kurz, damit Teig oder Suppe nicht bräunlich werden.

Probiert doch mal unsere Brennnessel-Buns – das Rezepte verraten wir Euch hier. Viel Spaß beim Ausprobieren und habt einen genussvollen weiteren Sommer!

Wenn Ihr mehr Wildkräuter entdecken oder Euer Wissen über anti-entzündliche Ernährung mit kulinarischen Erfahrungen anreichern wollt, dann schaut doch mal bei unseren Workshops vorbei. Ab September haben wir wieder viele spannende Angebote.